Es ist Montag, 15:00 Uhr und das hier
ist ein Brief von mir an dich.
Danke fürs Öffnen und Lesen.
Felix
etwas aus…
meiner Kamera
Aufgenommen am 26.08.2023 20:17 Uhr
Wir verbringen zu fünft Zeit im Center-Park am Bostalsee, weil einer von uns sechs Monate alt ist. Das ist entspannt und angenehm; bis auf das Schwimmbad, durch das ich, mit imaginärer Steady-Cam, in Zeitlupe gehe und im Kopf Elvis Costello’s „This is Hell“ läuft.
dem Film
In der ARD-Mediathek gibt es gerade „Pornfluencer“ zu sehen. Eine Doku, die ein junges Paar begleitet, das Pornos dreht und damit reich wird. Der Film hat das was viele gute Dokumentationen haben… die eigene Haltung verändert sich während der knapp 60 Minuten. Erst denke ich: „Super, wie die beiden sich selbstständig und gemeinsam ein Leben aufbauen“ dann wird daraus immer mehr: „Wie kann ein Mensch so manipulativ und bestimmend sein wie der Typ“
- „Nico Nice“ hat nämlich ganz klare Vorstellungen wie die Dinge zu laufen haben… Männer nehmen sich grundlegend was sie brauchen und dominieren die Partnerin. Das klassische Patriarchat… dazu kommen kalte Augen und falsches Lachen. Er genießt alle Freiheiten, während Andrea (Pornoname: Jamie Young) später wirkt als wäre sie einer Gehirnwäsche unterzogen worden.
Dieses „Realisieren“, diese Entwicklung ist das, was Pornfluencer sehenswert macht. Es geht weniger um Porno, als um Abhängigkeit, um Macht und um Manipulation.
Ein Kritikpunkt sind die Zwischenschnitte, die die Handlung unterteilen sollen, damit aber eher den Fluss des Films stören.
meinem Tagebuch
Vom 26.08.2023 21:19 Uhr , Samstag
„Zweiter Tag am Bostal-See. Die Dateien in ICloud warten darauf sich zu synchronisieren. Das beschreibt die Zeit hier ganz gut. Ich bin abgeschnitten von meinen täglichen Routinen, von meinem hohen Podcast- und Hörbuchkonsum, von meinem täglichen Laufen, von meinen Liegestützen und Meditationen. Das ist für ein paar Tage mal in Ordnung, vielleicht ist es sogar gut.“
den Kopfhörern
Tommee Profitt macht Musik, die kommerziell verwendet wird. Dann wenn es „knallen“ soll, oder wenn trance-artige Stimmungen gefragt sind; in Trailern, Filmen und Serien. Profitt produziert diese Songs mit klarer Absicht, oft zusammen mit Sängerinnen, und weiß, dass sie von Film-Studios verwendet werden. Jedes Mal wenn das passiert, klingelt die Kasse. Dass das Geschäftsmodell funktioniert, sieht man seinem hochstilisierten „Home-Studio“ an… (Studiotour auf Youtube)
Natürlich versteht Tommee, der lange für Hip-Hop-Künstler produzierte, was er tut. Oftmals interpretiert er bekannte Pop-Songs, macht sie „filmischer“, träumerisch… und das kann dann klingen wie ein Bond-Song auf Steroiden.
Mir gefällt „Cry Me A River“, ein Cover von Justin Timberlakes Hit von 2002. Hört mal rein.
mir
Ich erinnere mich an Urlaube allein mit meinen Eltern. Manchmal sind wir mit einer befreundeten Familie unterwegs, meistens aber nicht. Da sind Ziele wie: Murnau am Staffelsee in Bayern, wo es heiss ist, wir unter dem Dach schlafen und Martin Kesici, im Fernsehen, die erste Staffel „Star Search“ gewinnt.
Oder „Imola“ in Italien wo ich mir so die Haut verbrenne, dass ich weine, wir uns das Ferrari Museum ansehen und eine Nacht außerhalb von Monacco in einem heruntergekommenen Hotelzimmer übernachten.
Oder irgendein Ort in den Bergen wo wir uns mit anderen Familien anfreunden und ich die ganze Zeit Skiwasser (Leistungswasser mit Himbeersirup) trinke.
Wenn du allein mit den Eltern in Urlaub bist, kannst du nicht verschwinden. Du stehst immer dazwischen, bist immer Teil der Entscheidung, der Diskussion.
Manchmal ist niemand auf deiner Seite… und dann werden dir auf einmal Zugeständnisse gemacht, die du nicht erwartest, weil Eltern ganz genau wissen wie langweilig diese Urlaube für ein Kind sein können. Sind die Erinnerungen an diese Jahre bitter? Nein.
Habe ich mir währenddessen oft gewünscht nicht das einzige Kind zu sein? Ja.
Wünschen sich Geschwister manchmal allein mit den Eltern zu sein? Weiß ich nicht, aber ich vermute die Antwort ist…
Nächsten Montag: Gleicher Ort, gleiche Zeit.
Wenn du möchtest antworte mir auf diesen Brief.
hochachtungsvoll
dein Felix