Ich will dir von einem Traum erzählen, der mich eben geweckt hat.
Es ist Nacht und ich bin im Keller meines Elternhauses. Was ich da mache ist nicht klar, aber ich bin in Bewegung, außerdem stumm und taub.
Dann geht langsam die Tür zur Waschküche auf und ein dunkelblonder Mann um die 50 steckt langsam den Kopf durch den Spalt und schaut ob die Luft rein ist.
Im Traum weiß ich jetzt, dass er etwas nehmen möchte und ich es beschütze.
Als er mich sieht, zieht er überrascht den Kopf ein und flüchtet. Weit kann er nicht kommen… Ich renne hinterher, versuche zu schreien, was nicht funktioniert.
Dann setzt sich alles wieder auf Anfang. Ich bin taubstumm, patrouilliere weiter und weiß, dass bald der Nächste kommen wird.
Dann wache ich auf. Melina liegt neben mir. Ihre Träume ufern seit Beginn der Schwangerschaft richtig aus. Was sie gerade erlebt? denke ich und
drehe den Dimmer auf der Rückseite des Digitalweckers. 5:36.
Dann bleibe ich zwei Minuten liegen und versuche meinen Traum zu rekonstruieren. Ich habe nichts zu schreiben und Licht fehlt auch. Menschen, die ihre Träume aufschreiben können, müssen entweder allein, oder ohne Rollläden und Vorhänge schlafen…
Ich stehe auf und gehe ins Wohnzimmer. Es ist fast komplett dunkel.
Der Sommer endet, das merke ich immer dann, wenn ich nach der Spätschicht in der Einrichtung wieder die Stirnlampe brauche um durch den Wald nach Hause zu laufen. Irgendjemand sagt dann immer, dass die Wildschweine gerade Jungen hätten. Ich weiß nie ob das stimmt, glaube es aber immer.
Das verändert nicht, dass ich gern mehr Wildschweine sehen würde, obwohl das krachende Unterholz, einer sich frühmorgens, parallel zu mir und dem Waldweg bewegenden Schweine-Familie, schon mal für erhöhten Puls gesorgt hat.
Als sie dann meinen Weg von links nach rechts, 20 m vor mir kreuzten, war ich dann ganz andächtig.
Ich fülle meine blaue Thermoskanne mit Leitungswasser, frage mich dabei ob die Rohre des Hauses einigermaßen “keimfrei” sind und gehe die spiralförmige Außentreppe aus Eisen in den Keller. Eben noch im Traum hier gewesen…
Meine größte Angst als Kind war, dass eingebrochen wird. “Menschen kommen in unser Haus und töten uns.” Aus diesem Grund wurde jeden Abend ein Holzbalken innen vor der Haustür platziert, der im Fall der Fälle, die Tür blockieren und ein Eindringen von außen verhindern sollte. So war die Theorie. Mir hat es geholfen weil Angst ja fast immer in den Gedanken entsteht.
Ich höre das schimmelvorbeugende Rauschen von Entfeuchter und Luftfilter und wecke meinen Arbeitsbereich, indem ich ihn mit Strom versorge.
Egal ob es die Angst vor mordenden Einbrechern, oder vor Wildschweinen im nächtlichen Wald ist, vielleicht auch vor Keimen, Flügen, der Stille oder dem Meer…
Ängste verbinden uns so universell wie Musik.
Ein Mensch der unsere Angst teilt ist uns nah. Selten können wir empathischer sein. Wir erkennen uns im Anderen und können nachempfinden.
Es gibt eine Wikipedia-Liste der Phobien. Phobie: abgeleitet vom griechischen “phobos”, das “Angst”, beziehungsweise “Furcht” heißt.
Genau wie Duplo sich lange als “wahrscheinlich längste Praline der Welt” bezeichnete, behaupte ich, dass diese Liste vermutlich die menschlichste im Internet ist.
Hier finden sich die die Achluophobie (Angst vor Dunkelheit),
die Androphobie (Männern), Amaxophobie (Autofahren),
die beliebte Arachnophobie (Spinnen),
Cherophobie (Glücklichsein), Chemophobie (Chemikalien),
Coitophobie (Geschlechtsverkehr), Dysmorphophobie (Entstellung),
Gelotophobie (ausgelacht werden) Gerontophobie (Altwerden) Gynophobie (Frauen), Halitophobie (Mundgeruch), Lachanophobie (Obst), Neophobie (Neuerungen), Paraskavedekatriaphobie… (Freitag, dem 13.), Photophobie (Licht),
Siderodromophobie (Züge und Zugreisen), Thanatophobie (Tod)…
Da ist für jeden von uns etwas dabei oder? Und das ist gut so.
Ein Mensch komplett ohne Angst muss uns fremd sein.
Ohne Angst kein wohliges Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit, kein flaues Gefühl vor dem ersten Kuss, kein Adrenalin-Ausstoß wenn wir ihn brauchen…
Unsere Ängste sagen auch immer etwas über unseren Charakter aus:
Ich habe, unter anderem, Angst vor dem dick werden und davor, irgendetwas falsch zu machen, was mit Steuern zu tun hat und vor ungeplantem “Small Talk” in der Öffentlichkeit.
Das führt dazu, dass ich oft schlecht “genießen” kann, zu vorsichtig bin und Dingen aus dem Weg gehe.
Gleichzeitig sorgen die drei dafür dass ich mein Gewicht im Griff behalte, keine Schwierigkeiten mit dem Finanzamt bekomme und gut Zeit allein verbringen kann.
Was sind “Ängste” die dich begleiten?
Was, wenn nicht Angst und Furcht, haben uns zu dem gemacht was wir sind? Die Treiber unseres technologischen Fortschritts.
Mauern und Speere gegen Feinde. Feuer und Glühbirnen gegen Dunkelheit (und Kälte). Bars und Telefone gegen Einsamkeit. Kühltruhe, Narkose, Überwachungskamera, Atomkraft…
Uns alle eint die Angst vor dem Tod, damit einher geht die Angst zu Altern und die führt zur Angst vor Neuerungen.
Die letzte gilt es zu bekämpfen, denn...
Es wird ohne jede und jeden von uns weitergehen! …so schlimm es sich auch anfühlen mag.
Der Versuch die Zeit anzuhalten oder zurückzudrehen funktioniert nicht und macht uns letztendlich ungenießbar.
Und wenn die um uns herum unsere Gesellschaft nicht mehr genießen, dann weiß bald niemand mehr, vor was wir uns fürchten.
Das macht einsam und das Leben wenig lebenswert.
Als wären wir taub bei einem Konzert, während alle um uns herum hören und fühlen und verstehen.
Wer liebt und glaubt, hat Angst.
Bis zum nächsten Mal!
(Wenn du mehr lesen möchtest, schau auf meiner Blog-Seite vorbei, für Videos auf meinem Youtube-Kanal